SOMMELIER DES JAHRES Fdas »Gasthaus Edelmühle« in Au am … · 2020. 9. 3. · hand im Wiener...

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48 falstaff feb–mär 2015 49 falstaff feb–mär 2015 FRANZ MESSERITSCH 201 6 F ranz Messeritsch ist ein echtes Wirtshauskind. Seine Eltern haben das »Gasthaus Edelmühle« in Au am Leithaberg betrieben. Und natürlich wollten sie, dass ihr Lebenswerk fortgesetzt wird. Deshalb schick- ten sie ihren Ältesten in die Gastgewerbe- schule in Neusiedl am See. Dort stieß der junge Franz auf tüchtige Fachlehrer wie Fritz Tösch, heute der Patron des »Nyikospark« in Neusiedl und Sepp Sailer, heute erfolgreich mit »SailerS Vinothek« Frauenkirchen. Das hatte Folgen. Denn Franz Messeritsch hatte es besonders der Wein angetan. Logisch, dass so einer nach der Schule nicht in irgendeinem Dutzendwirtshaus arbeiten will, sondern in einem Betrieb, der für eine gute Weinauswahl bekannt ist. Da nehmen wir doch gleich das Beste, dachte er sich und bewarb sich kurzer- hand im Wiener »Steirereck«. »Dass mich die tatsächlich genommen haben, lag neben den guten Noten vielleicht auch ein bisschen daran, dass die Reitbauers meinen Vater kannten. Der ist nämlich auch Fleischhauer gewesen und hat im Keller des › Steirereck‹ so manches Tier zerlegt«, erzählt Messeritsch. Und so durfte der frischgebacke- ne Commis de Rang zwangsläufig auch in den berühmten Weinkeller, eine damals vielbe- staunte Attraktion der Wiener Gastronomie. An der Seite des legendären Sommelier Adi Schmid macht er im »Steirereck« als Jung- sommelier seine ersten Erfahrungen in der Spitzengastronomie. Dort wird er auch ermu- tigt, sich bei der Wahl des Falstaff-Somme- lierwettbewerb mit seinem Kollegen zu mes- sen. 1992 erreicht er auf Anhieb den 3. Platz, im Jahr darauf den 2. Rang. »Ich hab mich wirklich sehr für den Wein interessiert und viel darüber gelesen und gelernt. Der Adi hat das bemerkt und so wurde ich zum Jungsom- melier befördert. Da durfte ich dann den Weinservice im Wintergarten mitmachen, die wichtigen Gäste hat aber immer der Herr Schmid höchstpersönlich betreut. Nachsatz: »Das macht er ja heute auch noch.« Es reifte der Gedanke, sich zum Sommelier ausbilden zu lassen und da erzählte ein Eine Welle von neuen Weinstilen wie Natural und Orange Wines, aber auch Kundenwünsche wie vegan, bio, schwefel- oder histaminarm machen heute die Gestaltung einer perfekten Weinkarte zu einem Balanceakt. Einer der eindrucksvoll zeigt, wie das geht, ist Franz Messeritsch im Restaurant »Le Ciel« im »Grand Hotel Wien«. TEXT PETER MOSER FOTOS LUKAS ILGNER FALSTAFF SOMMELIER DES JAHRES > wein / SOMMELIER DES JAHRES 2016

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FRANZMESSERITSCH

2016Franz Messeritsch ist ein echtes Wirtshauskind. Seine Eltern haben das »Gasthaus Edelmühle« in Au am Leithaberg betrieben. Und natürlich wollten sie, dass ihr

Lebenswerk fortgesetzt wird. Deshalb schick-ten sie ihren Ältesten in die Gastgewerbe-schule in Neusiedl am See. Dort stieß der junge Franz auf tüchtige Fachlehrer wie Fritz Tösch, heute der Patron des »Nyikospark« in Neusiedl und Sepp Sailer, heute erfolgreich mit »SailerS Vinothek« Frauenkirchen. Das hatte Folgen. Denn Franz Messeritsch hatte es besonders der Wein angetan. Logisch, dass so einer nach der Schule nicht in irgendeinem Dutzendwirtshaus arbeiten will, sondern in einem Betrieb, der für eine gute Weinauswahl bekannt ist. Da nehmen wir doch gleich das Beste, dachte er sich und bewarb sich kurzer-hand im Wiener »Steirereck«.

»Dass mich die tatsächlich genommen haben, lag neben den guten Noten vielleicht auch ein bisschen daran, dass die Reitbauers meinen Vater kannten. Der ist nämlich auch Fleischhauer gewesen und hat im Keller des › Steirereck‹ so manches Tier zerlegt«, erzählt Messeritsch. Und so durfte der frischgebacke-ne Commis de Rang zwangsläufig auch in den berühmten Weinkeller, eine damals vielbe-staunte Attraktion der Wiener Gastronomie.

An der Seite des legendären Sommelier Adi Schmid macht er im »Steirereck« als Jung-sommelier seine ersten Erfahrungen in der Spitzengastronomie. Dort wird er auch ermu-tigt, sich bei der Wahl des Falstaff-Somme-lierwettbewerb mit seinem Kollegen zu mes-sen. 1992 erreicht er auf Anhieb den 3. Platz, im Jahr darauf den 2. Rang. »Ich hab mich wirklich sehr für den Wein interessiert und viel darüber gelesen und gelernt. Der Adi hat das bemerkt und so wurde ich zum Jungsom-melier befördert. Da durfte ich dann den Weinservice im Wintergarten mitmachen, die wichtigen Gäste hat aber immer der Herr Schmid höchstpersönlich betreut. Nachsatz: »Das macht er ja heute auch noch.«

Es reifte der Gedanke, sich zum Sommelier ausbilden zu lassen und da erzählte ein

Eine Welle von neuen Weinstilen wie Natural und Orange Wines, aber auch Kundenwünsche wie vegan,

bio, schwefel- oder histaminarm machen heute die Gestaltung einer perfekten Weinkarte zu einem

Balanceakt. Einer der eindrucksvoll zeigt, wie das geht, ist Franz Messeritsch im Restaurant »Le Ciel« im

»Grand Hotel Wien«. TEXT PETER MOSER FOTOS LUKAS ILGNER

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deutscher Jungkoch von einer Fachschule in Heidelberg, die erstmalig einen derartigen Kurs anbieten würde. Messeritsch ergreift die Chance, verlässt das »Steirereck« und nach einem Praktikum am Weingut Feiler-Artinger schließt er 1996 an der Fachschule für Som-meliers mit dem Titel eines staatlich geprüf-ten Sommeliers ab. Er bleibt gleich in Deutschland, um im »Hotel Sheraton Air-port« in Frankfurt am Main zu arbeiten.

Bis Ende 1999 ist er dort Sommelier im Restaurant »Papillon«, die Weinkarte ist französisch wie die Küche, er nützt aber die Gelegenheit durch Verkostungen und Besu-che bei Winzern ein profundes Wissen über den deutschen Weinbau zu erwerben, das noch heute in seiner Karte in Wien zu erken-nen ist.

DIE JAHRE IM »LE CIEL«

Seit dem Jahr 2000 ist Messeritsch der Chef-Sommelier im hochdekorierten Restaurant

»Le Ciel« im Wiener »Grand Hotel« am Kärntner Ring, wo er im Weinservice seit Jahren mit Dietmar Baumgartner und dem Falstaff-Maître-d’Hôtel 1998 Günter Moser ein überaus kompetentes Team bildet.

Das »Grand Hotel« ist eine Adresse mit Geschichte. 1863 wurde das Schneider’sche Haus an der neuen Ringstraße als Maison meublée fertiggestellt, 1870 als Actienhotel in Funktion genommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen die russischen Besatzer das Gebäude in Beschlag, 1957 wurde wie-dereröffnet. Bereits ein Jahr darauf erwarb die Republik das Objekt und stellte es der Internationalen Atombehörde als Amtssitz zur Verfügung. 1989 erwarb die japanische Fluglinie ANA das Haus und eröffnet nach intensiven Umbauarbeiten, bei denen nur die Fassade erhalten blieb, das »ANA Grand Hotel.« Seit August 2002 heißt es wieder »Grand Hotel Wien« und ist Teil des >

»Das die mich damals ge-nommen haben, lag viel-leicht auch daran, das mein Vater als Fleischhauer das Steirereck belieferte.« FRANZ MESSERITSCH Sommelier

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feiern, und unter der Woche kommen viele Stammgäste. Da hat sich die glasweise Beglei-tung sehr gut etabliert. Ich habe auch eine größere Auswahl von Halbflaschen, die sehr gern von den Gästen angenommen wird. Die Zahl der verschiedenen Positionen auf der Karte habe ich im Laufe der letzten fünf Jah-re von 430 auf 340 heruntergesetzt.« Franz Messeritsch wird von seinen Gästen wegen seiner Kompetenz sehr geschätzt, er gilt als ausgezeichneter »Kombinierer«. Er versteht es, die Kreationen des Küchenchefs mit kor-respondierenden Weinen genussbringend zu bereichern.

Da Franz Messeritsch im heimischen Wein-handel nicht immer alle Weine, die er seinen Gästen gerne vorsetzen möchte, vorgefunden hat, entschloss er sich, die Lücken selbst zu schließen und gründet den Weinimport »Mselection«. Begonnen hatte es vor vier Jahren mit einem Gast aus Bulgarien, der für seine Weine aus Thrakien einen Importeur suchte. Nachdem der Diplom-Sommelier das Weingut besucht hatte und ihn die mit Unter-stützung des Star-Önologen Michel Rolland gekelterten Wein überzeugt hatten, entschied

JJW Hotels & Resorts. Messeritschs Vor-gänger Eric Bouton hatte Ende 1999 ent-schieden, sich als Barrique- und Weinhändler selbstständig zu machen. Da schlug Dietmar Baumgartner, der bis 1994 mit Messeritsch ebenfalls im »Steiereck« arbeitete, vor, seinen Ex-Kollegen in Frankfurt zu kontaktieren und diesen ins »Le Ciel« zu holen. Dieser nahm diese Herausforderung gerne an und übernahm die Position des Chef-Sommeliers. Schritt für Schritt wandelte er die von den französischen Vorgängern geprägte Karte nach seinen Vorstellungen ab. »Die österrei-chischen Klassiker, die das Geschehen der letzten Dekaden geprägt haben, wie die gro-ßen Wachauer, Namen wie Kollwentz oder Pöckl, wird man auf meiner Liste immer fin-den, das fordert schon der Respekt vor deren Leistungen. Ich habe aber auch schon um 2003 begonnen, alternative Weine, heute sagt man Natural Wines, wie jene der Gruppe um Sepp Muster aus der Steiermark angeboten. Ich war damit vielleicht der erste in der Top-Gastronomie und wie ich bald feststellen musste, zu früh damit dran. Ich habe wohl in meiner jugendlichen Euphorie ein paar wirk-lich fehlerhafte Exemplare erwischt.« Bis 2008 lief auch das Geschäft mit großen Bor-deaux-Weinen sehr gut, dann hinterließen die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedin-gungen auch auf der Weinkarte des »Le Ciel« ihre Spuren. »Wir sind einerseits ein Anlass-lokal, man kommt um etwas Spezielles zu

Franz Messeritsch wird von den Gästen im »Le Ciel« wegen seiner Kompetenz überaus geschätzt. Er gilt als

ausgezeichneter »Kombinierer«.

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Sommelier Franz Messe-ritsch importiert neben-bei auch noch Weine aus

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er sich, neben seiner Tätigkeit als Sommelier auch selbst ins Importgeschäft einzusteigen. Die Weine von Castra Rubra und Telish haben in Österreich viele Freunde gefunden. Und im Angebot haben sich seither einige biologische Schmankerl, wie Weine vom Hirschhorner Hof von Franz John aus der Pfalz oder vom Weingut Harm aus Krustetten im Kremstal, eingefunden. Der Sommelier hat sich zum Ziel gesetzt, mit seiner Auswahl einerseits kleine-ren, noch weniger bekannten Winzern eine Chance zu geben. Mit Namen wie Clemens Busch von der Mosel oder David Moret aus der Burgund sowie dem Selosse-Schüler Chris-tophe Mignon kann sich seine internationale Selektion bereits sehen lassen. In den Präsen-tationsräumen des »Punkt 404« werden regel-mäßig Präsentationen für Privatkunden und Sommeliers veranstaltet, zu denen sich die Winzer gerne auch persönlich einfinden. Übri-gens: Auch die Eltern des neuen Sommeliers des Jahres sind mit dessen Karriere zufrieden, ihre »Edelmühle« führt heute Martin, der jün-gere Sohn, erfolgreich fort. Warum es auch dort heute eine feine Weinauswahl gibt, lässt sich denken.

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